Lasst uns nicht in Schubladen denken –
denn wir sehen nur einen Teil des Ganzen

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Schnell stecken wir Eltern in Schubladen. Schnell urteilen wir oder machen uns ein Bild von einem Menschen. Die Übermama, welche mit Biozutaten kocht und ihr Kind zuhause betreut. Daneben die egoistische Businessfrau mit Handy und Laptop. Das Kind läuft nebenbei mit. Ist das tatsächlich so? Oder sehen wir lediglich einen Teil des Ganzen?

Wir kennen nicht die Vorgeschichte unseres Gegenübers. Wer weiß, welche Probleme die Mutter hat, die nicht lächelt, als ihre Tochter begeistert vom Forschen im Kindergarten erzählt.

Hat der Mann der kühlen Nachbarin gerade den Job verloren? Pflegt die genervte Erzieherin abends eine schwerkranke Oma und ist erschöpft?

Um 1986 herum schreibt mir meine Oma folgenden Spruch in mein Freundschaftsbuch:

Richte nie den Wert des Menschen
schnell nach einer Stunde.
Oben sind bewegte Wellen,
doch die Perle liegt am Grunde.

Gedanken, die mich mein Leben lang begleiten. Gedanken, die mich davor bewahren, dass ich vorschnell urteile. Denn eins dürfen wir nicht vergessen:

Wir sehen aus dem Leben anderer Menschen lediglich einen Ausschnitt. 

Frühjahrserwachen - Baum im März

Anfang November 2019. Meine Kinder sind zuhause beim Papa. Alleine. Ich fahre mit dem Doppeldeckerbus durch Abu Dhabi, lasse mich von der Sonne brutzeln und mache Fotos. Hier gibt es den passenden Bericht.

Februar 2020. Ich bin vier Wochen lang mit Emily und Leon alleine. Weil Pierre in der Rehaklinik ist. Kümmere mich liebevoll um beide Kinder. Hier habe ich euch davon berichtet.

Komplett unterschiedliche Szenen. Wer mich im November 2019 gesehen hat, mag urteilen, dass mir meine Kinder egal sind.

Zwei Monate später gibt es ein anderes Bild. Es gibt Momente, in denen ich gestresst reagiere. Später welche, wo ich entspannt bin.

Das zeigt: Es ist eine Frage des Blickwinkels. Wir bekommen lediglich einen Bruchteil vom Familienleben mit. Mein Mantra, wenn ich dazu verleitet werde, mir ein Urteil zu bilden: Es ist nur ein Ausschnitt, den wir wahrnehmen.

Wir wissen nichts über eine mögliche schwere Kindheit des Gegenüber. Wir wissen nichts über Sorgen, Probleme, Beschwerden, Kummer oder die Psyche. Wir wissen nicht, wie lange das Lächeln anhält. Auch in sozialen Netzwerken zeigen uns Menschen den Teil, den sie zeigen möchten. Das ist völlig in Ordnung so. Doch sollten wir nicht vergessen, dass wir nur einen Teil sehen. Nicht das komplette Leben.

Elischeba mit Kids im Zoo Leipzig

Wir möchten unsere Umwelt verstehen und machen uns das Leben mit Denkschubladen einfach. Damit wir unsere Mitmenschen besser einordnen können.

Wir nehmen eine Person wahr und vergleichen sie mit Menschen, die wir bereits kennen. Neu bewerten kostet unbewusst Energie. Doch der erste Eindruck liegt häufig falsch – dann wird es Zeit, ihn zu revidieren.

Rasch urteilen wir zu schnell. Eine Bekannte hat mir erzählt, dass sie auf dem Spielplatz böse angeschaut wurde. Ihr Mann hat mit den Kindern getobt und sie saß mit ihrem Handy auf der Bank.

Schublade auf: Die Mutter sitzt nur am Handy und ihr Mann spielt mit den Kindern. Schublade zu. Die Meinung über diese Mama ist im Kasten.

Was wir vergessen: Wir sehen nur einen Bruchteil des Ganzen.

Diese Bekannte hat sich vorher mit ihren Kindern beschäftigt, während ihr Mann auf der Arbeit war.

Nun wollten die Kids mit ihrem Papa toben und sie auf der Parkbank mit ihrem neuen E-Book entspannen.

Was lernen wir daraus? Zweimal hinschauen. Besser dreimal.

Spielzimmer im Dorint Hotel in Winterberg

Einmal habe ich eine siebenfache Mutter kennengelernt, die bereits von weiten nach Zigaretten roch.

Außerdem wirkte sie auf mich ungepflegt. Der Gedanke, dass unsere Tochter dort zuhause spielt, fühlte sich für mich komisch an. Dabei wusste ich noch gar nichts über diese Frau.

Dann habe ich mich dazu entschlossen, Emily zu begleiten. Ich möchte jedem Menschen unvoreingenommen eine Chance geben.

Vor Ort habe ich mich dafür geschämt, dass ich diese Frau in eine Variante von „Frauentausch“ gesteckt habe. Denn sie ist eine äußerst sympathische Mutter, mit der ich mich bis heute bestens verstehe.

Rutsche Spielplatz Scheveningen

Fotograf: Gerd Bülte

Auf dem Spielplatz wurde ich vor fünf Jahren darauf angesprochen, dass ich leichtsinnig sei. Weil Leon – mit zwei Jahren – alleine auf ein Klettergerüst durfte, das für größere Kinder gedacht war.

Woanders hieß es, dass ich eine Übermama bin, weil ich einen freien Nachmittag mit meinem Sohn wollte.

Merkt ihr was? Es ist alles eine Sache der Perspektive.

Es gibt Abende, an denen ich Tiefkühlpizza auftische. Wer dann spontan zu Besuch kommt, mag denken, dass mir unsere Ernährung egal ist.

Dabei gibt es bei uns zweimal die Woche frischen Fisch, reichlich Obst und regelmäßig Salat. Ich liebe unseren „Unverpackt-Laden“ um die Ecke.

Elischeba Wilde - Mama und Bloggerin

Sind wir nicht alle mal Glucken und im nächsten Moment Eigenbrötler? Mal genervt und mal geduldig und liebevoll?

Wir haben viele Facetten in uns. Das macht uns menschlich. Das macht uns authentisch und echt.

Lasst uns zweimal hinschauen, bevor wir eine Mama in eine Schublade stecken.

Unterstelle anderen Menschen erstmal, dass sie genau wie du ihr Bestes geben.

Kommt gut durch die Corona-Zeit, bleibt gesund und seid ihr selbst.

Eure Elischeba

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Lasst uns nicht in Schubladen denken - denn wir sehen nur einen Teil
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Lasst uns nicht in Schubladen denken - denn wir sehen nur einen Teil
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Schnell stecken wir Eltern in Schubladen. Die Übermama, welche mit Biozutaten kocht und zuhause betreut. Daneben die Businessfrau mit Handy und Laptop.
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Elischeba | Reise-, Lifestyle- & Familien Blogazin by Elischeba Wilde
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12 Kommentare

  1. Avatar
    Agnes
    29/03/2020 / 23:17

    Ganz genau – wie schnell urteilen wir. Ist mir auch schon passiert. Toller Artikel!

    • Elischeba
      Elischeba
      Autor
      30/03/2020 / 10:21

      Danke für dein Feedback. Ich bin mir sicher, dass uns das allen schon passiert ist.

      Alles Liebe von Elischeba

  2. Avatar
    Lara
    30/03/2020 / 9:50

    Ich wurde auch schon in Schubladen gepackt, da ich mit 17 mein erstes Kind bekommen habe. Dabei hat es nichts mit dem Alter zu tun, eine gute Mutter zu sein oder nicht.

    Du hast einen ganz tollen Blog.

    • Elischeba
      Elischeba
      Autor
      30/03/2020 / 10:23

      Das glaub ich dir sofort. Genau: In jedem Alter können wir tolle Mütter sein. Niemand ist perfekt – egal ob das erste Kind mit 19, 25 oder 43 auf die Welt gekommen ist.

      Freut mich sehr, dass dir mein Blog gefällt, liebe Lara.

  3. Avatar
    Jana
    30/03/2020 / 15:17

    Dazu habe ich eine Erfahrung zu erzählen: Eine Freundin war total gereizt. Mehrere Monate lang. Zu mir und zu ihrerm 3-jährigen Sohn. Ich habe meinem Mann erzählt, dass sie sich negativ verändert hat und ich Abstand brauche. Erst später habe ich erfahren, dass der wahre Grund für die schlechte Laune eine Fehlgeburt war, die sie nicht verkraftet hat.

    • Elischeba
      Elischeba
      Autor
      30/03/2020 / 21:38

      Hallo Jana,

      auch wenn ich keine Fehlgeburt hatte, weiß ich von Betroffenen, dass das Leid sehr tief liegt und viele Mütter extrem darunter leiden. Nicht jede redet darüber. Oft hängen Verhaltensweisen auch mit Erfahrungen in der eigenen Kindheit zusammen.

      Alles Liebe und Danke für dein Feedback von

      Elischeba

  4. Avatar
    Ed
    09/05/2020 / 19:55

    Hallo,
    der Beitrag ist wirklich sehr schön und interessant danke an dieser Stelle!
    Schaut euch mal bitte meine Seite an, da findet jeder sein Produkt im Vergleichstest mit Ratgeber und Testsieger, kommt vorbei.

    „vergleichsmission.de/prime-video/eltern-und-familie/“

    Viele Grüße
    Ed

    • Elischeba
      Elischeba
      Autor
      12/06/2021 / 10:03

      Ganz lieben Dank für dein Feedback, ED!

  5. Avatar
    Mami_seit_2013
    28/09/2021 / 23:11

    Sehr schöne Geschichten aus deinem persönlichen Leben, die nachdenklich machen und zeigen, dass wir wirklich öfter „dreimal“ hinschauen sollen. Danke dafür!

    • Elischeba
      Elischeba
      Autor
      29/09/2021 / 11:02

      Ganz lieben Dank für deine Worte dazu. Ja, das ist etwas dran. Wie oben zu lesen liebe ich den Spruch, den ich als Kind in meinem Freundschaftsbuch hatte (von meiner Oma reingeschrieben):

      Richte nie den Wert eines Menschen rasch nach einer kurzen Stunde.
      Oben sind bewegte Wellen, doch die Perle liegt am Grunde.

  6. Avatar
    Anni
    20/01/2022 / 12:18

    Ja das ist auch mein Mantra: Wir sehen aus dem Leben anderer Menschen nur einen Ausschnitt. Auf Instagram wirkt der Ausschnitt oft etwas schöner, wovon wir uns auch nicht fertig machen lassen dürfen.

    • Elischeba
      Elischeba
      Autor
      20/01/2022 / 12:28

      Hallo liebe Anni,

      ja, mit diesem Gedanken im Hintergrund nimmt Instagram uns den Druck, dass wir perfekt sein wollen.

      Liebe Grüße von Elischeba

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