Unsere ersten Lebensjahre prägen uns enorm. Das spüre ich auch immer wieder und werde in diesem Artikel auf einige Wunden eingehen. Als ich gefragt werde, ob ich das Buch “Deine Familie ist nicht dein Schicksal“ von Vienna Pharaon rezensieren möchte, bin ich begeistert.
Ihr Werk befasst sich mit der komplexen Dynamik familiärer Beziehungen und deren tiefgreifenden Einfluss auf unser Leben. Die renommierte Familientherapeutin führt uns durch eine Reise der Selbsterkenntnis und Heilung. Sie zeigt uns auf, wie familiäre Muster und Traumata unser Verhalten, unsere Entscheidungen und unsere Lebensqualität beeinflussen können.
Bei traumatischen Erlebnissen ist natürlich häufig zusätzliche Hilfe nötig. Ein Buch ersetzt meist keine Gesprächstherapien. Trotzdem möchte ich mit euch zusammen in das Thema eintauchen.
Unsere Kindheit bildet die Grundlage für die Entwicklung unserer Persönlichkeit, unserer Werte und unseres Verhaltens. In den ersten Lebensjahren sind wir besonders empfänglich für äußere Einflüsse, die tief in unser Unterbewusstsein eindringen und unsere spätere Lebensweise maßgeblich beeinflussen.
Eltern, Geschwister, Freunde, Lehrerinnen, Lehrer und die allgemeine Umgebung spielen eine zentrale Rolle in dieser prägenden Zeit. Positive Erlebnisse können unser Selbstvertrauen stärken und zu einer optimistischen Lebenseinstellung führen. Während negative Erfahrungen oft lange Schatten werfen und das spätere Leben belasten können. Und trotzdem muss letzteres kein Schicksal sein.
Die Autorin schreibt in ihrem Buch, dass generell niemand von uns eine komplett perfekte Kindheit hatte. Ihr Ziel sei es auch nicht, Fehler zu suchen.
Interessant finde ich den Gedanken, dass wir uns vor Augen führen sollten, dass unsere Mutter nicht nur eine Mutter ist, sondern auch eine Tochter. Genauso ist unser Vater ein Sohn. Unsere Eltern tragen eigene Verletzungen mit sich.
Nun, ich wurde mit massiver Gewalt großgezogen und stark in meiner Persönlichkeit unterdrückt. Meine Eltern haben sich andererseits aber auch viel mit mir beschäftigt und mein Vater hat mir beigebracht auf Englisch zu lesen, als ich fünf Jahre jung gewesen bin.
Da mir die heftige Schläge, die emotionale Gewalt und die zahlreichen Verbote noch sehr präsent sind, hatte ich von Anfang an das Bedürfnis, es bei meinen Kindern ganz anders zu machen. Sie wachsen mit viel Freiraum, Anerkennung und Liebe auf.
Diesen Ansatz beschreibt die Autorin auf Seite 56 des Buches zwar als gesunden Impuls. Jedoch zeigt sie auch, dass meine Herangehensweise dazu führt, dass ich Konflikte um jeden Preis vermeiden möchte. Beim Lesen denke ich darüber nach, dass da etwas dran ist.
Eine liebevolle und unterstützende Familie bietet Sicherheit und Geborgenheit, die essentiell für unsere emotionale und soziale Entwicklung sind.
Kinder, die in einem stabilen Umfeld aufwachsen, entwickeln oft ein höheres Maß an Resilienz und sind besser in der Lage, Herausforderungen zu meistern. Im Gegensatz dazu können Kinder, die Vernachlässigung oder Missbrauch erfahren, mit erheblichen emotionalen und psychologischen Problemen kämpfen, die sich bis ins Erwachsenenalter ziehen.
Frau Pharaon beleuchtet, dass viele unserer emotionalen und psychologischen Herausforderungen ihre Wurzeln in der Kindheit haben. Sie argumentiert, dass die Beziehungen zu unseren Eltern und Geschwistern sowie die Art und Weise, wie wir in unserer Familie interagieren, oft unbewusst unsere Wahrnehmungen und Handlungen im Erwachsenenalter bestimmen.
Mir gefallen die vielen Beispiele, welche sie aufführt. Sie beschreibt Gespräche mit Klienten, von denen sie selbstverständlich alle Namen geändert hat. Denn manchmal finden wir uns beim Lesen selbst wieder und verstehen, wieso wir zum Beispiel Angst davor haben, mit anderen Menschen verglichen zu werden. Oder wieso wir uns rasch vernachlässigt fühlen.
Passiert es dir schonmal, dass du in manchen Situationen sehr emotional reagierst? Dass du dich nachher darüber wunderst, wieso dich ein Punkt so belastet? Das kann laut Vienna Pharaon an den Wunden deiner ersten Lebensjahre liegen.
Denn ihr Buch bietet eine tiefgehende Analyse familiärer Muster und zeigt Wege auf, wie man sich von negativen Einflüssen lösen und ein selbstbestimmtes Leben führen kann.
Ein zentrales Thema des Buches ist die Idee, dass unsere familiären Prägungen nicht zwangsläufig unser Schicksal sind. Pharaon ermutigt uns, Verantwortung für unser eigenes Leben zu übernehmen und uns von destruktiven Mustern zu befreien. Durch praktische Übungen, Fallbeispiele und therapeutische Techniken gibt sie wertvolle Werkzeuge an die Hand, um alte Wunden zu heilen und gesunde Beziehungen aufzubauen.
Sie zeigt, dass das Leben nicht gegen uns ist. Alte Wunden brechen immer wieder auf, da sie Heilung verdienen. Ein erster Schritt besteht darin, diese Wunden zu benennen.
Zum Beispiel ist niemand von uns unwürdig geboren. Doch eine Klientin beschreibt der Therapeutin, dass sie sich sämtliche Beziehungen zu Männern immer wieder selbst kaputt macht.
Somit werden ihre Muster bestärkt: Sie ist unwürdig geliebt zu werden. Doch ist das wirklich so? Letztendlich wurde ihr dies als Kind vermittelt und sie musste so als Erwachsene lernen, dass es lediglich die Muster ihrer Eltern waren.
Was die Autorin immer wieder erlebt, ist, dass Kindern folgendes mitgeteilt wird: „Wenn du dich so verhältst wie wir, gehörst du zu uns. Wenn du dich anders verhältst, dann riskierst du, nicht mehr zu uns zu gehören.“
Mit anderen Worten: Hast du die gleiche politische Einstellung, die gleiche Meinung, dieselbe Religion und ähnliche Gedanken wie wir, dann bist du ein Teil von uns. Entwickelst du dich in eine andere Richtung, dann wirst du verstoßen. Dann passt du nicht mehr in unser Weltbild.
Diese Strenge mag Eltern davon abhalten, ihre eigene Angst zu erkennen. Ihre eigene Angst davor, nicht würdig oder liebenswert zu sein. Somit denken sie sich, dass wenn sie ihre Kinder dazu zwingen, ihnen zu folgen, sie sich selbst niemals geschlagen geben müssen.
Ein Klient hat durch diesen Vergleich begriffen, dass sein Vater selbst unter großen Strenge gelitten hat. Und diese einfach an sein Kind wiedergegeben.
Ich habe mein Leben zuhause häufig reflektiert – je älter ich wurde. Somit habe ich den Wunsch entwickelt, später komplett anders zu sein. Jeden Tag habe ich momentan große Wertschätzung für meine Freiheit und unser liebevolles Miteinander. Auch deshalb, weil ich mir einen Partner gesucht habe, der komplett anders ist, als mein Vater.
Denn das innere Selbst versucht, sich zu schützen. Um aus alten Mustern auszubrechen und einen konstruktiveren Weg zu gehen, muss man sich nämlich bestimmte Dinge bewusst machen. Als erstes zählt dazu, die Wunde aufzudecken und zu benennen. Dann können wir ihr leichter Raum geben und sie heilen. Und unser Leben neu ausrichten.
„Deine Familie ist nicht dein Schicksal“ ist nicht nur ein Buch über Therapie und Heilung, sondern auch ein inspirierender Ratgeber für alle, die sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen und ihr Leben bewusst gestalten möchten.
Vienna Pharaon schafft es, komplexe psychologische Konzepte verständlich zu erklären und motiviert uns, den Weg der Selbstentdeckung und Transformation zu gehen. Das Buch ist eine wertvolle Ressource für jeden, der die Dynamiken seiner familiären Beziehungen verstehen und überwinden möchte, um ein erfüllteres und authentischeres Leben zu führen.
Besonders interessant finde ich die Gespräche mit einer jungen Frau, welche in keiner Liebesbeziehung wirklich glücklich sein konnte.
So toll ihre Männer auch waren, so hatte sie immer wieder einen Gedanken: „Bald kommt der Haken. Das bleibt nicht so schön. Er wird sein wahres Gesicht zeigen.“
Die Therapeutin hat – wie gewohnt – nach ihrer Herkunftsfamilie gefragt. Sofort hat die Klientin abgewimmelt: „Da stimmt alles. Ich bin sehr liebevoll groß geworden.“
Ja, es war auch so, dass sie viel Liebe und Anerkennung bekommen hat. Es gab keine großen Probleme. Auch ist ihre Mutter fürsorglich mit ihrem Vater umgegangen und ihr Vater aufmerksam mit ihrer Mutter.
Doch es gab eine E-Mail, welche ihr Leben für immer verändert hat. Zumindest unbewusst.
Da sie als Teeanger am Rechner ihres Vaters etwas für die Schule erledigen musste, hat sie unfreiwillig Nachrichten gefunden, welche ihr Vater an seine Geliebte geschrieben hat. Für die Tochter ist eine Welt zusammengebrochen.
Tränenüberströmt hat sie ihren Vater darauf angesprochen. Somit hat er ihr versprochen, die Beziehung zur anderen Frau sofort zu beenden. Anschließend hat er ihr sogar Beweisnachrichten gezeigt. Allerdings hat der Vater sie angefleht, dass das ihr Geheimnis bleiben sollte.
Diese Familie hat danach weiter gelebt wie vorher auch. Der Vater war aufmerksam und liebevoll zu seinen Kindern und auch zu seiner Frau. Niemals wieder wurde der geheime Schriftverkehr, der zufällig gefunden wurde, zum Thema zwischen Vater und Tochter. Irgendwann hat sie das Erlebte selbst in den Hintergrund gedrängt.
Doch lauerte in ihr eine Stimme, welche immer wieder verkündete, dass Männer ein Geheimnis haben. So sehr sich ihre Partner auch bemühten – sie wartete auf den Haken. Komplett genießen konnte sie keine ihrer Beziehungen.
Erst durch die Gespräche über ihre Kindheit wurde diese Vertrauenswunde offenbar. Die junge Frau hat sie bewusst benannt, gesehen und versucht zu heilen. Somit konnte sie mit gezielter Arbeit wieder unbelastet ihr Liebesleben genießen.
Jeder von uns kann sich mit seinen Altlasten auseinandersetzen. Um sich selbst und sein Verhalten noch besser zu reflektieren. Entweder mit diesem Buch oder bei größeren Wunden unter therapeutischer und fachmännischer Anleitung.
Gestern habe ich mich mit einem guten Freund über die Gewalt in meiner Kindheit unterhalten. Unser Gespräch fand ich sehr interessant. Er hat von seiner Bergwanderung mit Anselm Grün berichtet, der ihm folgenden Tipp gegeben hat: „Irgendwann muss aber auch mal gut sein.“
Wir können uns Wunden anschauen, sie benennen und heilen. Aber irgendwann können wir auch den Schwerpunkt wieder auf Gegenwärtiges lenken. Auf den Moment. Anstatt Wunden immer wieder aufzureißen. Sie mit Selbstfürsorge vergebend zudecken.
Je mehr wir uns von früheren Prägungen befreien, umso leichter fällt es uns, unbeschwert zu leben. Dann ist es so, wie die Autorin schreibt: „Deine Familie ist nicht dein Schicksal.“ Ein Titel, der mich übrigens von Anfang an angesprochen hat.
Unterstütze gerne eine Buchhandlung in deiner Nähe, wenn dich das Buch interessiert.
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die dir drei Tipps verrät,
wie du Müdigkeit schnell überwindest. |
Elischeba
Hinweis: Das Buch habe ich als kostenfreies Rezensionsexemplar erhalten. Die Gedanken dazu sind meine eigenen.
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Ich hatte mal einen Freund, der mega schnell eifersüchtig wurde. Später stellte sich heraus, dass er ständig mit dem großen Bruder verglichen wurde, der angeblich schlauer und fleißiger war.
Autor
Hallo liebe Jana,
ganz genau: Das ist ein Zusammenhang, den ich gut nachvollziehen kann!
Ein schönes Wochenende von
Elischeba
Sehr spanennde Gedanken!
Autor
Finde ich auch!
Oh das Buch ist genau das, was ich gerade brauche, Danke für den Tipp!!!!
Autor
Das freut mich sehr, liebe Kira, sehr gerne!