Nach dem Gespräch mit meiner Frauenärztin am 7. November 2011 bin ich das erste Mal während meiner Schwangerschaft ängstlich. Da ich über 30 Jahre alt bin, rät sie mir dringend zur Nackentransparenzmessung. Meine Gefühle während dieses Gesprächs habe ich hier für dich aufgeschrieben.
Zur gleichen Zeit hebt ein drei Monate junges Baby in Wetzlar – einer ehemaligen Reichsstadt in Mittelhessen – das Köpfchen und lächelt ihren Vater aus tiefstem Herzen an.
Die Tochter des 24-jährigen hat das Down-Syndrom (Trisomie 21). Seine süße Laura kam auf die Welt als mein Leon gezeugt wurde. Im August 2011. Heute telefoniere ich mit dem Mann, der anderen Mut machen möchte. Und bekomme dabei immer wieder eine Gänsehaut.
Elischeba: Lieber Benny, wann hast du vom Down-Syndrom deiner Tochter Laura erfahren?
Benny: Direkt nach der Geburt hat die Ärztin uns gesagt, dass ein Verdacht auf Trisomie 21 besteht. Die Bestätigung, dass Laura wirklich das Down-Syndrom hat, haben wir einen Monat später erhalten.
Elischeba: Welche Gefühle hat das in dir hervorgerufen?
Benny: Die erste Nacht nach Lauras Geburt habe ich mich gefragt, warum ich mit 20 Jahren ein Kind mit Behinderung bekomme.
Elischeba: Woher nimmst du die Kraft, mit der Situation umzugehen?
Benny: Laura gibt mir jeden Tag Kraft und Halt, um weiter für sie zu kämpfen.
Elischeba: Wie hast du dich dadurch selbst als Mensch verändert?
Benny: Ich bin zu einem Kämpfer geworden – für mein Kind. Ich gehe mit dem Thema sehr offen um. Ich spreche auch Menschen mit Down-Syndrom auf der Straße an.
Elischeba: Auf YouTube hast du einen Kanal ins Leben gerufen, der den Alltag deiner süßen Tochter zeigt. Wie bist du auf diese Idee gekommen, eure gemeinsamen Erlebnisse zu veröffentlichen?
Benny: Ich möchte mit den Videos zeigen, dass es nichts Schlimmes ist, ein Down-Syndrom Kind zu haben. Ich habe auch schon viel positives Feedback dazu bekommen. Zum Beispiel hat mir eine werdende Mutter geschrieben, dass sie durch meine Filme besser mit der Diagnose umgehen kann, da sie auch ein Kind mit Down-Syndrom bekommen wird. Außerdem macht es mir sehr viel Spaß, Videos zu drehen und zu schneiden.
Elischeba: Toll, dass du so vielen Menschen Mut machst. Doch mit den Behörden hast du gerade ein bisschen Ärger. Wieso denn?
Benny: Du sprichst auf das Thema mit dem Schwerbehindertenausweis (SBA) an. Ich habe den SBA sehr früh beantragt – am Anfang haben wir 50% ohne Merkzeichen bekommen. Daraufhin habe ich Widerspruch eingereicht – leider ohne Erfolg. Dann bin ich den Schritt gegangen, das Land Hessen zu verklagen. Wir fordern vom Land Hessen 100% und die Merkzeichen: G, B, H und RF. Anfang 2013 bin ich mit dem Thema in die Öffentlichkeit gegangen – mit einem Teilerfolg. Daraufhin haben wir 70% und das Merkzeichen „H“ bekommen.
Im Oktober 2013 haben wir das Urteil in der Sache SBA bekommen. Das erste Verfahren haben wir verloren. Laura ist für einen SBA mit 100% und die Merkzeichen: G, B, H und RF „nicht behindert genug“. Das ist die Ausage des Landes Hessen und des Gerichtes. Wir sind in Berufung gegangen und werden weiter kämpfen. In vielen Städten stehen Down-Syndrom Kindern 100% und die Merkzeichen: G, B, H zu.
Elischeba: Hat Laura denn neben dem Down-Syndrom noch weitere Einschränkungen?
Benny: Ja, Laura hat neben dem Down-Syndrom noch eine mittelgradige kombinierte Schwerhörigkeit bds. Das bedeutet, dass Laura Hörgeräte trägt. Auch hat sie einen Vorhofseptumdefekt vom Sekundärtyp (Herzfehler) und einen starken Astigmatismus – das heißt dass Laura eine Brille trägt. Auch wenn man das auf vielen Bilder und Videos nicht sieht.
Elischeba: Wie sieht euer Alltag aus?
Benny: Morgens geht Laura in den Kindergarten – da hat sie viel Spaß. Nachmittags stehen fast täglich Untersuchungen an. Manche Arztbesuche haben uns im Nachhinein viel gebracht – andere hätte man sich auch sparen können. Außerdem gehe ich mit Laura häufig zur Krankengymnastik oder plane schöne Ausflüge und Unternehmungen mit ihr.
Elischeba: Welche Vorurteile haben einige Personen beim Thema Down-Syndrom?
Benny: Dass die DS-Menschen dumm sind und nichts können. Oder dass sie nur in einer Behindertenwerkstatt arbeiten können. Wir wurden schonmal gefragt, warum wir ein Kind mit Behinderung überhaupt auf die Welt gebracht haben.
Elischeba: Vor allem letzteres stelle ich mir als Mutter sehr verletzend vor. Was macht das Leben mit diesen Kindern zu etwas Besonderem?
Benny: Diese Kinder sind sehr herzlich, strahlen viel Freude und Energie aus. Es macht sehr viel Spaß mit den Kindern zusammen zu sein.
Elischeba: Welcher war denn dein schönster Moment mit Laura?
Benny: Puh das ist schwer zu sagen. Die Geburt war unbeschreiblich. Ich hatte sie auf dem Arm und wollte sie gar nicht mehr hergeben. Jeder Moment in dem sie lacht ist schön. Und jeder Fortschritt erfreut das Herz.
Elischeba: Welche Unterschiede gibt es denn bei den Fortschritten im Vergleich zu Kindern ohne Down-Syndrom?
Benny: Laura ist circa 20 Zentimeter kleiner als Gleichaltrige – und 15 Monate zurück. Das merkt man besonders beim Sprechen – da ist sie auf dem Stand einer Einjährigen – obwohl sie im August drei wird.
Was besonders faszinierend ist: Laura ist auf sozialem und künstlerischem Gebiet weiter als manche Gleichaltrige. Sie geht unglaublich geschickt mit Musikinstrumenten um. Außerdem tröstet sie andere Kinder und konnte schon immer sehr gut teilen.
Elischeba: Ihre Empathie ist richtig süß. Wann merken diese Kinder eigentlich, dass sie anders sind?
Benny: Der ein oder andere mag jetzt sagen, dass das Schwachsinn ist, was ich dir jetzt sage. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass Laura das bereits mit ihren knapp drei Jahren spürt. Sie verhält sich bei anderen Kindern mit Down-Syndrom noch liebevoller. Laura geht auf diese Kinder zu und umarmt sie – da spürt man das Geschehen der Kinder auf Augenhöhe.
Ich bin so frei und spreche auch Erwachsene mit Down-Syndrom an. Diese haben mir alle einstimmig gesagt, dass sie das nicht stört. Jugendliche zeigen auf andere und sagen „der sieht genauso aus wie ich“. Wenn wir ehrlich sind, so hat doch jeder von uns irgendeine Einschränkung. Der eine trägt eine Brille. Der andere hat Probleme mit der Hüfte. Na und? Wer ist schon perfekt?
Elischeba: Welche Tipps kannst du Eltern geben, die ein Kind mit Down-Syndrom erwarten oder bekommen?
Benny: Sich nicht von Ärzten verrückt machen lassen. Sich unter anderem Videos zum Thema Down-Syndrom auf YouTube anschauen. Und vielleicht auch mal andere Eltern mit Down-Syndrom Kindern kennenlernen. Es ist nicht schlimm, wenn man ein Kind mit Down-Syndrom hat. Im Gegenteil – diese Kinder sind eine Bereicherung für die ganze Familie.
Elischeba: Danke für das offene und bewegende Interview, lieber Benny. Und weiterhin alles Gute und noch viele schöne Momente.
Du kannst HIER noch mehr über die kleine Laura und ihre Welt erfahren.
Disclaimer: Die Fotos wurden mir von Benny für dieses Interview zur Verfügung gestellt und dürfen nur mit seiner Genehmigung verwendet werden.
Durchaus ein bewegendes Interview. Die Filme gefallen mir auch gut, da sie zeigen, wie viele Liebe und Freude diese Kinder vermitteln.
Benny: nicht unterkriegen lassen von den Behörden (ich kenne mich mit dem Thema speziell jetzt nicht aus, aber es liest sich trotzdem nicht schön 🙁 )
hab auch jemand im Bekanntenkreis mit Down-Syndrom (der Sohn) – die Mutter ist allerdings auch schon 42 – das Kind selbst ist sehr süß – man sieht es nicht, wenn man das nicht weiß – ich habe auch nicht den Eindruck, dass der Kleine noch nicht so weit ist wie andere Kinder
hab mir ein paar videos angeschaut und finde das toll wie der vater das so meistert
Das ist ein schwieriges Thema. Aber ein tolles Inteview. Die Videos sind wirklich süß und auch gut gemacht. Ich könnte mir auch vorstellen, dass solche Filme den Eltern ein bisschen die Angst nehmen, wenn sie solch eine harte Diagnose kriegen. Ich selbst könnte damit nicht so gut umgehen. Umso mehr Respekt vor Benny!
Ein sehr schönes, bereicherndes Interview. Ich verfolge Laura und einige andere Kinder mit dem kleinen extra schon seit einiger Zeit im Netz. Bei all unseren medizinischen Möglichkeiten „mogeln“ sich immer wieder kleine Seelen mit dem Down Syndrom in die Welt. Sie schaffen es über alle Voruntersuchungen Ihr kleines Extra zu verbergen, damit sie zu uns in die Welt kommen. Was soll uns das vielleicht sagen? Die Evolution liebt die Varianten und ich bin überzeugt, wir sollen von diesen wunderbaren Menschen etwas lernen. Liebe, Fürsorge, Herzensgüte und vieles andere mehr bringen diese Kinder in unsere gestresste, perfektionistische Welt. Sie sind die kleinen Bremsen im dahinrasenden Rad um uns das Leben wieder mit anderen Augen sehen zu lassen! Jedes dieser Kinder ist ein kleiner Stern und sollte mit Achtung und Respekt und gaaaaanz viel Liebe willkommen sein!
Ein sehr schöner Beitrag.
Sehr berührend, ja, aber mit Abstrichen. Ich kenne das Kind und seinen Vater persönlich und muss sagen, er will Gleichbehandlung für sein Kind und fordert andererseits vehement und ständig die totale Sonderstellung ein.
Diese kleine Laura ist weder besonders sozial noch empathisch, bei keiner der Gelegenheiten, wo wir ihr begegnet sind. Sie ist im Gegenteil sehr aggressiv und forsch, sie kratzt, beißt, haut und schubst, ohne jede Grenzsetzung durch den Vater. Sobald sich ein Kind gegen dieses heftige Angehen weht, greift er natürlich sofort und lautstark rücksicht fordernd ein. Laura hat mehreren Krabbelkindern der Gruppe heftigste, blutende Kratzer im Gesicht verpasst, einem anderen Kind in die Backe gebissen, so dass man es noch eine Woche sah. Kaum ein Kind in dem Raum kam ohne Blessuren davon, und immer steht der Vater lächelnd daneben und tut nix und lächelt blöde. Da kriegt man als Mutter echt einen zuviel.
Das Engagement des Vaters in allen Ehren, aber man muss dieses behinderte Kind nicht in den Himmel heben und über alle anderen stellen. Hier und da ein paar deutliche Grenzen würden beiden, Vater und Tochter, sehr gut tun. Das Kind wird nicht ausgegrenzt, weil es behindert ist, sondern weil es sich scheisse benimmt. Und das würde auch jedem gesunden Kind so passieren. Gleichbehandlung ist eben keine Einbahnstraße, So einfach ist das.
Update 18.3.2015: Wir haben nun die Klage in der 2. Instanz vor dem Landessozialgericht Darmstadt gewonnen. Laura bekommt nun einen Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 100 und den Merkzeichen G, B, H und RF.
@Nina
Keine Ahnung wer du bist, ich kenne dich auf jeden Fall nicht. Laura haut Kinder nicht ohne Grund, und ich setzte ihr schon viele Grenzen.
Ein interessantes Interview. Als Vater von einem Kind mit Down-Syndrom sehe hier natürlich viele Ähnlichkeiten. Der Kommentar von Nina ist natürlich etwas krass, aber im Grunde hat sie damit recht, dass Gleichbehandlung in beide Richtungen funktionieren muss.