Die meisten von uns freuen sich über Lockerungen. Doch das Thema Corona ist noch nicht ausgestanden. Was bewegt Eltern und Kinder in Deutschland? Knapp 100 Antworten habe ich auf meine Umfrage erhalten. Auch Freunde und Bekannte haben mir per What`s App geschrieben. Gern fasse ich für euch zusammen. Einige Zitate sind gekürzt und Namen geändert.
Als die Zeitschrift „Eltern“ meinen letzten Artikel „Wenn Eltern an ihre Grenzen stoßen und unpassende Kommentare erhalten“ auf Facebook geteilt hatte, habe ich festgestellt, dass euch das Thema bewegt. Euer Feedback fand ich sehr spannend. Einen Kommentar möchte ich zitieren:
„Nur bei einem Punkt muss ich widersprechen und zwar glaube ich nicht, dass wir im gleichen Boot sitzen. Es mag sein, dass wir uns im gleichen Sturm befinden, aber nicht im gleichen Boot. Einige sitzen vielleicht auf einem aufblasbaren Boot und andere sind vielleicht auf einem Kreuzfahrtschiff. Einige sind total unter Stress und verzweifelt. Andere genießen es, endlich so viel Zeit mit den Kindern zu haben wie noch nie. Ich glaube es fehlt Empathie. Und es gibt Leute, die einfach aufhören sollten mit diesem dreckigen „ich weiß es besser“ oder „ich kann das besser“. Es fällt sehr leicht, andere zu beurteilen, ohne deren Situation, Umfeld oder Umstände richtig zu kennen. Also Klappe halten und euch lieber um euren eigenen Kram kümmern.“
Ja, wir sitzen nur indirekt im gleichen Boot. Doch viele Familien leiden – besonders die Kinder. Sie werden bestraft. Als wenn sie das Virus von einer Geschäftsreise aus China mitgebracht hätten.
Sie werden so bestraft, als wenn sie die Virenschleuder Nummer eins wären. Die Tante darf zum Friseur, die Mama zum Bäcker und der Vater fährt täglich zur Arbeit. Aber die kleine Emma darf nicht in den Kindergarten.
Hier schreibt eine Mutter, wie sie sich aktuell fühlt:
„Ich habe mich so sehr nach Lockerungen gesehnt. Nach meinem Treffen mit Mädels hatte ich allerdings ein schlechtes Gewissen. Waren wir zu leichtsinnig? Was ist, wenn wir Schuld sind, wenn es einen neuen Lockdown gibt? Worüber ich traurig bin: Dass es im Kitabereich so langsam vorwärts geht. Unser Sohn vermisst seine Freunde und seinen Alltag. Ich kann ihm keine Antwort geben, wenn er wissen möchte, wann es wieder losgeht. Hat die Politik unsere Kinder vergessen? Sie werden anscheinend nicht als wirtschaftlich relevant betrachtet. Unsere Tochter genießt den einen Tag in der Woche in der Schule sehr. Sie ist ausgeglichener und fröhlich. Obwohl ich als Pädagogin tätig bin, ist Homeschooling nicht unser Ding. Ich werde schnell ungeduldig. Das kollidiert und bringt Tränen. Außerdem fehlt mir Zeit für mich selbst. Um ausgeglichen zu sein, möchte ich zwischendurch mal joggen gehen oder Yoga machen. Allerdings lasse ich meine Kinder noch nicht alleine zuhause. So fällt die Zeit für mich einfach weg. Mein Mann ist abends nach 20 Uhr bei uns. Es tut uns nicht gut, dass wir zu eng auf einander hocken.“
Sarah, Ende 30 mit zwei Kids (3 und 7).
Eine andere Mutter erzählt mir, dass ihre dreijährige Tochter weinend vor dem Kindergarten steht. Leider laufen sie automatisch daran vorbei. Das Mädchen sieht ihre Freunde beim Spielen und muss selbst hinter dem Zaun stehen bleiben.
Der Grund: Ihre Mutter arbeitet nicht in einem systemrelevanten Beruf. Deswegen steht ihr die Notbetreuung nicht zu.
Emily ist im Kindergarten mit „Wackelzähnen“ befreundet. Das heißt, dass diese Kinder im Sommer 2020 eingeschult werden.
Eine Mutter von einem „Wackelzahn“ hat mir erzählt, dass sie sich fragt, ob ihr Kind im Kindergarten eine Abschiedsfeier bekommt. Was ist mit dem älteren Sohn, der auf eine weiterführende Schule kommt? Kriegt er eine Feier?
Ihr Mann und sie arbeiten in systemrelevanten Berufen. Allerdings in unterschiedlichen Schichten – deswegen steht ihnen keine Notbetreuung im Kindergarten für ihren „Wackelzahn“ zu.
Wird es eine Einschulung geben – wie bei den älteren Geschwistern? Falls der Unterricht nach den Sommerferien nicht stattfindet, fragt sie sich, ob sie ihrem Kind lesen und schreiben beibringen muss. Oder müssen die älteren Geschwister helfen? Wie geht es weiter? Die Ungewissheit belastet die Familie.
Ein achtjähriger Junge fragt seine Eltern, ob sie an Corona sterben können. Die Mutter schreibt, dass ihr Sohn ernster geworden ist.
Außerdem machen sich Eltern von Kindern Sorgen, die in der Schule mit dem Lernstoff Probleme haben. Können sie den Lernrückstand wieder aufholen?
Eine Antwort war bei meiner Umfrage bei allen Eltern identisch. Es gab niemanden – wirklich niemanden – der mir geschrieben hat, dass Homeschooling klappt.
Anfangs ging es bei einigen Familien tatsächlich gut. Mit Struktur und Spaß. Doch die Motivation ist bei allen weg. Die Luft ist raus.
„Du bist meine Mutter, du bist nicht meine Lehrerin. Du hast von all dem keine Ahnung. Ich mache erst wieder jeden Tag Hausaufgaben, wenn Schule ist.“
Das erzählt mir eine Bekannte, deren Sohn seit zwei Wochen aggressiv geworden ist. „So kenne ich ihn gar nicht“ berichtet die Mutter verzweifelt.
Eine Freundin (Hausfrau aus Leidenschaft) hat auf Facebook ein Bild gepostet. Auf den ersten Blick toll: Beide Kinder sitzen an den Hausaufgaben. Sie sagt von sich, dass sie eine strenge und konsequente Mutter ist.
Unter dem Bild schreibt sie das:
„P. baut auf dem iPad Brücken inkl. berechneter Statik und schaut nur Dokumentationen auf ARTE, ZDFneo und DMAX……hole ich ihn da weg um Hausaufgaben zu machen? Nein! Machen wir jeden Tag Schulsachen? Nein! Haben wir vom letzten Lernpaket alles gemacht? Nein! Ganz ehrlich, ich mache es halbwegs so, wie es für die Kids passt. Mit A. ist es jedes Mal ein Kampf mit Erpressung und Streit. Hab ich Bock auf schief hängenden Haussegen? Nein!
Wenn ich andere sehe, was die Kinder in dieser Zeit einfach an Leistung bringen müssen, da kommt in mir sofort ein „Dagegen“ hoch. Die Corona Zeit ist für die Kinder schön blöd genug, da brauche ich hier Zuhause möglichst viel Harmonie, Lachen, Spaß und Glücksgefühle und möglichst wenige Machtkämpfe, Tränen und unglückliche Kinder! Wir lassen da oft mehr als 5e gerade sein. Ob das so richtig ist weiß ich nicht, aber meinen Nerven reicht es auch so.“
Eine Alleinerziehende schreibt mir, dass sie nach ihrem Job platt ist. Dann muss die Kassiererin mit ihrem neunjährigen Sohn neuen Schulstoff durchgehen. Machtkämpfe, Tränen und Stress haben sich im – sowieso schon schwierigen – Alltag dazu gesellt. Um einige Aufgaben zu verstehen, muss die junge Mutter sich selbst einlesen. Ihr Kind hat Probleme beim Lernen.
Eltern wünschen sich Anerkennung für die Doppelbelastung. Sie möchten gesehen werden. Außerdem haben einige finanzielle Sorgen. Einer Leserin wurde wegen Corona gekündigt. Zahlreiche Familien haben wegen Kurzarbeit weniger Geld zur Verfügung und müssen ans Sparkonto und ihre Rücklagen rangehen.
Zitat einer Mutter: „Wieso müssen wir erst laut werden, damit Politiker uns hören?“
Die meisten von euch haben – wie ich – jüngere Kinder. Emily geht in den Kindergarten und Leon in die zweite Klasse der Grundschule.
Doch habe ich auch Nachrichten von Eltern bekommen, die den ein oder anderen Teenager zuhause haben.
Eine Mutter hat mir geschrieben, dass ein 16-jähriger, der seine Mama total peinlich findet, schlechter zu begeistern ist, als ein Kleinkind.
Bei den Schularbeiten kann sie nicht helfen – wie soll sie ihren Sohn nach der Arbeit bei Mathematik unterstützen?
Schmunzelnd sagt sie, dass sie mit den „lieb gemeinten“ Basteltipps aus den Mamablogs nichts anfangen kann. Ihr Sohn möchte nachmittags in den Fußballverein und seine Kumpels treffen.
Abschließen möchte ich mit den Worten einer Leserin, die Mut machen möchte. Sie hat mir am 27. April folgenden Text auf Instagram unter meinen Beitrag geschrieben:
„Ich denke an Beppo aus Michael Endes wunderbarer Momo Geschichte: Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss immer nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich…Dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.“
Ich wünsche euch viel Kraft und dass man euch sieht. Eure Sorgen, eure Probleme und eure Wünsche. Dankeschön an alle Eltern, die mit ihren Gedanken zu diesem Artikel beigetragen haben. Ihr zeigt anderen Eltern, dass wir nicht alleine sind.
Elischeba
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Liebe Elischeba, diese Artikel von dir sind gerade Balsam für die Seele. Danke dafür!!!!!!!!!!!!!!!
Autor
Oh, das freut mich aber. DANKE! Das gleiche hat mir heute noch eine Mutter erzählt, die ich beim „Arbeitsmaterial abholen“ an der Schule getroffen habe.
Ich hab schon gedacht, dass ich die einzige Mutter bin, die Homeschooling nicht hinkriegt. Lehrer, wir brauchen euch!
Autor
Neeee, da gibt es gaaanz viele, denen es auch so geht. Stimmt, wir bekommen für Lehrer noch mehr Wertschätzung als vorher.
Bei uns war es nicht so schlimm, da meine Mutter noch jung und fit ist und sich keine Sorge vor einer Ansteckung gemacht hat. So hat sie sich um die Kinder gekümmert, als ich arbeiten war.
Trotzdem vermisst meine Tochter den Kindergarten. Sie liebt ihre Oma, aber das Programm im Kindergarten ist so schön. Und der Platz! Die riesige Turnhalle, der Wald-Garten und die Freunde. Mein Sohn hatte ebenfalls am Anfang Lust auf die Hausaufgaben, aber zum Schluss nicht mehr. Da er gut in der Schule mitkommt, hatte die Klassenlehrerin das O.K. gegeben, dass er in dieser Ausnahmesituation nur das Nötigste macht. Lieb fragen schadet nie!
Autor
Oh, da hast du viel Glück, mit einer jungen, lieben und gesunden Oma in der Nähe!
Ja, der Kindergarten tut den Kleinen meist gut – die sozialen Kontakte, die Bewegung und die festen Rituale.
Genau – es ist immer gut, mit den Lehrern zu reden. Sie haben meist Verständnis dafür, dass es auch für uns eine schwere Situation ist.
Ganz lieben Dank für dein Feedback.
Dann schreibe ich dir hiermit mal als angeblich einzige:
„Bei uns klappt Homeschooling gut“
1.Klässler, 6.Klässlerin, 10.Klässler und 11.Klässlerin (+2 kleinere Kinder).
Klar die beiden Großen, die dieses bzw nächstes Jahr Abschluss machen, sind mehr als gut beschäftigt, lernen aber alleine bzw melden sich, wenn sie Hilfe brauchen.
Der 1.Klässler liebt es neues zu lernen. In den 9 Wochen gab es 3 oder 4 Tage, an denen er wirklich nicht zu motivieren war- da haben wir es dann einfach gelassen und am nächsten Tag nachgeholt. Ansonsten macht er freiwillig Aufgaben, sagt selbst, wenn er eine Pause braucht und setzt sich danach freiwillig wieder dran.
Die 6.Klässlerin tut sich insgesamt gerade schwer mit dem Thema Lernen (*kein Bock auf nix*), aber sie macht das notwendigste, also die Aufgaben, die sie auch den Lehrern vorzeigen muss und ist insgesamt viel entspannter als zu Schulzeiten.
Ich würde mir sehr wünschen, dass es die Möglichkeit gäbe, dauerhaft auf ein reduziertes Präsenz – und ein erhöhtes Homeschooling-Angebot zurückgreifen zu können.
Autor
Ganz lieben Dank für deinen Kommentar!
Wenn ich nochmal einen Artikel über Homeschooling oder die Vorteile des Lockdowns schreibe, würde ich dich gern dafür näher interviewen. Wäre das in Ordnung? Hast Du Interesse daran?
Es ist nicht so einfach, jemanden zu finden, der FÜR Homeschooling ist.
Liebe Grüße von Elischeba
Also bei uns ist das Thema Hausaufgaben auch seit WOCHEN! ein Kampf. Anfangs ging es, dann habe ich irgendwann auch nicht mehr so die Kraft gehabt, da ich im Büro eine kranke Kollegin vertreten muss (ist zwar Home-Office, aber da muss ich mich sehr konzentrieren und habe Telefon-Konferenzen). Das Haus muss auch geputzt werden.
Sehr guter Artikel, der mir zeigt, dass ich nicht alleine da steh. Danke dafür!