Haben es Jungs in der Schule schwerer?
Interview mit einer Lehrerin

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Eine Mutter erzählt mir, dass ihr Sohn in der Schule bei seiner Lehrerin keine Chance hat. Weil er wild ist. Weil er laut ist. Da er eben ein Junge ist.

Sofort hake ich nach. Da er ein Junge ist? Ja. Sie hat eine ältere Tochter, die von der gleichen Lehrerin freundlicher behandelt wird.

Wenn in Elterngruppen über Kinder geredet wird, dann sind es meist Jungs, die negativ auffallen.

Unser Sohn ist ein ruhiger Denkertyp, der in den Schachverein geht und seiner kleinen Schwester Donald Duck Bücher vorliest.

Bücher lesen

Trotzdem: Haben wir Jungs zu Besuch, ist es häufig lauter im Haus. Einige davon hören auf Pierre besser als auf mich. Da stellen sich folgende Fragen:

Wäre es für Jungs besser, wenn mehr männliche Lehrer an Schulen unterrichten? Sehen wir Probleme mit Mädels und Jungs einseitig?

Darüber habe ich mich mit einer Blogger Kollegin unterhalten, die als Lehrerin tätig ist. Sie mag meine Reiseberichte (siehe hier) mit Urlaubstipps für Familien.

Ich profitiere von Violas Wissen als Lehrerin. Besonders von ihren Erfahrungen.

Aber erstmal ganz von vorn. Hier ist das Interview mit Grundschullehrerin Viola Herrmann aus Berlin vom Blog „mama & co“:

Elischeba: Wann hast du das erste Mal den Wunsch verspürt, Lehrerin zu werden?

Viola: Tatsächlich war das der erste Berufswunsch, den ich im Alter von etwa acht Jahren hatte. Bei dem bin ich auch geblieben und habe meine Entscheidung nie bereut.

Viola Herrmann

Foto von Viola Herrmann (Lehrerin und Bloggerin) – Copyright: Viola Herrmann

Elischeba: Was hat dich an dem Beruf gereizt?

Viola: Ich habe meine eigene Grundschulzeit geliebt! Das warme Schulgebäude mit all meinen Freunden war für mich eine zweite Heimat. Auch die (meisten) Lehrer habe ich als sehr angenehm empfunden. Genau in so einem Umfeld wollte ich selber arbeiten!

Elischeba: Wie schön! Ich bin als Kind und Jugendliche ebenfalls gern in die Schule gegangen.

Einige Schüler und Eltern klagen darüber, dass Mädchen bevorzugt werden. Hast du das beobachtet?

Viola: Nicht offensichtlich, denn ich glaube, dass viele Lehrkräfte gar nicht absichtlich bevorzugen. Das passiert eher unbewusst und wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst.

Beispiel Notengebung: Eine saubere Handschrift mit klarer Linienführung wird intuitiv als bessere Leistung beurteilt, unabhängig vom geschriebenen Inhalt.

So kann es passieren, dass Mädchen (zum Beispiel bei der Bewertung des Arbeitsmaterials) bessere Noten als Jungen erhalten.

Schulmäppchen

Elischeba: Das ist interessant. Haben es Jungs schwerer in der Schule?

Viola: Ich halte nicht viel von Pauschalisierungen, denn es gibt ja nicht DIE Jungen und DIE Mädchen.

Bei beiden Geschlechtern gibt es Kinder, die sich schwer tun mit dem System Schule und es gibt jene, die problemlos ihre Schuljahre meistern.

Sicherlich kann man aber sagen, dass Jungen häufiger mit ihrem Verhalten anecken und sich somit durch mehr Konflikte und Widrigkeiten durchkämpfen müssen, als das bei Mädchen der Fall ist.

Elischeba: Wäre es für Jungs besser, wenn vermehrt Männer unterrichten?

Viola: Mehr männliche Lehrkräfte wären insofern wichtig, als dass Jungen männliche Vorbilder benötigen. Momentan liegt der Männeranteil im Grundschullehramt bei 12%, das ist natürlich zu wenig.

Zudem wäre es schön, wenn die männlichen Kollegen nicht nur Naturwissenschaften und Sport unterrichteten, sondern auch Fächer wie Deutsch, Musik oder Kunst.

Ich habe aber durchaus auch schon männliche Kollegen erlebt, die sehr wenig Geduld mit Jungen hatten und weniger Verständnis für ihr Verhalten aufgebracht haben, als das bei ihren Lehrerinnen der Fall war.

Eine rein nummerische Erhöhung der männlichen Lehrkräfte wäre zwar hilfreich, würde aber nicht zwangsläufig zu mehr Unterstützung von Jungen in der Schule führen.

Elischeba: Was können wir als Eltern tun, um unsere Söhne zu selbstbewussten Männern zu erziehen?

Viola: Wir sollten unseren Jungs vermitteln, dass sie ok sind, so wie sie sind. Dass es auch in der Schule in Ordnung ist, wenn sie sich nicht so verhalten wie Mädchen.

Natürlich müssen sie lernen, Grenzen zu akzeptieren und ihre körperlichen Kräfte so zu dosieren, dass keine anderen Kinder verletzt werden. Aber in diesem Rahmen dürfen sie sich ausprobieren und ihre individuelle Entwicklung zu einem selbstbewussten erwachsenen Mann durchlaufen.

Jungen erziehen - Tipps - Elischeba Wilde

Elischeba: Was gibst du deinem Sohn mit auf den Weg?

Viola: Ich gebe ihm das Gefühl, dass ich als Mutter immer an seiner Seite stehe – egal, welche Widrigkeiten im (Schul-)leben auftreten.

Das heißt aber auch, dass ich nicht immer auf seiner Seite, sondern objektiv die jeweilige Situation und sein Verhalten beurteile. Meiner Unterstützung kann er sich sicher sein. Die Verantwortung für sein Handeln muss er jedoch selber übernehmen.

Elischeba: Das ist klasse. Mach weiter so! Danke fürs nette Gespräch.

Hier gelangst zum Mamablog von Viola.

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Haben es Jungs in der Schule schwerer? Interview mit einer Lehrerin
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Eine Mutter erzählt mir, dass ihr Sohn bei seiner Lehrerin keine Chance hat. Weil er wild ist. Weil er laut ist. Da er eben ein Junge ist. Haben es Jungs in der Schule schwerer als Mädchen? Darüber rede ich mit einer Lehrerin aus Berlin.
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Elischeba | Reise-, Lifestyle- & Familien Blogazin by Elischeba Wilde
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6 Kommentare

  1. Avatar
    Sandra S.
    14/01/2020 / 20:52

    Bei uns werden ruhige und liebe Mädchen eindeutig bevorzugt. Häufger gelobt, besser gefördert. Anders wahrgenommen!

    • Elischeba
      Elischeba
      Autor
      15/01/2020 / 17:18

      Dankeschön dafür, dass du uns an deiner Beobachtung teilhaben lässt, liebe Sandra.

  2. Avatar
    Agnes
    15/01/2020 / 17:30

    Schönes Interview. Ich fand das mit der Handschrift interessant. Auf diese Idee wäre ich gar nicht gekommen, dass es zumindest unbewusst ein Unterschied ist.

    • Elischeba
      Elischeba
      Autor
      15/01/2020 / 17:53

      Das habe ich mir beim Interview auch gedacht.

      Danke für dein Feedback, liebe Agnes.

  3. Reinhard
    Reinhard
    15/01/2020 / 19:02

    Vielen Dank Elischeba, für dieses wirklich tolle Interview zu einem spannenden Dauerthema.

    Ich selbst hab es in den 1960er Jahren in der Grundschule am eigenen Leib erfahren und genauso meine Kinder in den 1990er Jahren. In vielem stimme ich Viola zu, allerdings hab ich einiges auch ganz anders erlebt.

    Ich bin in den sog. „Wirtschaftswunderjahren“ Mitte der 60er Jahre auf eine hochmoderne Grundschule gegangen. … alles am Gebäude war neu, nur die Lehrer waren teilweise von „vorgestern“ und „geistig verkrustet“. … mit einer löblichen Ausnahme: meiner Grundschullehrerin !! … Sie war im Kollegium zwar als „Flintenweib“ verschrien, weil sie ca. 50 Jahre alt war und immer noch ledig, aber sie hat ihre Schüler geliebt und respektiert und hatte die Klasse gleichzeitig fest im Griff. Ich hatte diese Lehrerin drei Jahre lang … von der 2. bis zur 4. Klasse. In der 2. Klasse waren wir eine reine Jungs-Klasse mit 28 Jungs. In der 3. und 4. Klasse wurde die Klasse in zwei Klassen aufgeteilt und es kamen jeweils 14 Mädchen dazu. … u.a. auch meine erste Jugendliebe 😉
    Aber auch dann ließ meine Grundschullehrerin nichts auf „ihre Jungs“ kommen und bereitete sie am Ende der 4. Klasse alle erfolgreich auf die einwöchige Aufnahmeprüfung zum Gymnasium vor. Die Mädchen hatten dagegen bei ihr einen relativ schweren Stand … selbst wenn sie sehr gut waren.

    Meine Tochter hat auf ihrer Grundschule in den 1990er Jahren etwas ähnliches erlebt … hat sich allerdings auf ihre ganz eigene Art und Weise durchgesetzt und ist letztendlich Klassensprecherin und sogar Schulsprecherin geworden.

    Ich denke jeder Schüler findet irgendwann seinen Weg und seine ganz persönliche Art und Weise, mit den Lehrern und dem Schulsystem umzugehen. Wir sollten unsere Kinder auf ihrem Weg begleiten, ohne sie zu stark einzuengen oder ihnen gar ein Korsett zu verpassen. Jungs sind anders als Mädchen, aber deswegen nicht von vornherein besser oder schlechter.

    • Elischeba
      Elischeba
      Autor
      15/01/2020 / 19:30

      Das ist ja interessant, Reinhard!

      Genau – Jungs und Mädchen sind beide auf ihre Art toll.

      Eine Mutter hat mir letztens gesagt, dass sie traurig darüber ist, dass sie „nur“ zwei Jungs hat. Das fand ich persönlich ein bisschen schade.

      Liebe Grüße von Elischeba

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